Colum McCann:
Apeirogon
Hamburg 2020
Rami ist Israeli, Bassam ist Palästinenser. Ramis Tochter wurde 1997 im Alter von dreizehn Jahren von einem palästinensischen Selbstmordattentäter getötet. Bassams Tochter wurde 2007 zehnjährig von einem israelischen Soldaten ermordet. Die beiden Männer werden Freunde und setzen sich gemeinsam für den Frieden ein. Der Aufkleber auf Ramis Motorrad ist für sie eine alltägliche Herausforderung: "Es wird erst vorbei sein, wenn wir reden."
Der in Dublin geborene Autor hat einen ausgezeichneten Roman veröffentlicht, auf der Grundlage einer wahren Geschichte, in 1001 Kapiteln. In Tausendundeiner Nacht erzählt Scheherazade Geschichten, um am Leben zu bleiben. Die beiden Männer erzählen, um die Hoffnung für ein friedliches Zusammenleben zu bewahren.
Navid Kermani:
Ungläubliches Staunen. Über das Christentum
München 2015
Der große Klassiker der interkulturellen Begegnungen: Einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller moslemischen Glaubens wirft einen neugierigen, staunenden, aber auch kritischen Blick auf das Christentum.
In seinen Annäherungen bekommt die Analyse von Kunstwerken, Mythen und Riten eine zentrale Bedeutung.
Matthias Wemhoff - Michael M. Rind:
Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland
Berlin 2018
Interkulturelle Begegnungen waren bereits in der Zeit, die wir nur oder vor allem aus archäologischen Funden kennen, für die Menschen die Normalität.
Die Beiträge des Katalogs der Ausstellung "Bewegte Zeiten" im Gropius Bau (2018-19) enthalten dazu viele wertvolle Informationen.
Valerie Hansen:
Das Jahr 1000. Als die Globalisierung begann
München 2020
Bereits um das Jahr 1000 herum waren die Menschen weltweit miteinander verbunden. Valerie Hansen zeigt die vielfältigen Verbindungen auf und geht ausführlich auf ihre bis in die Gegenwart auswirkenden Folgen mit vielen interessanten Details ein.
Ihr Fazit: "Gewiss kam nicht jedem die Globalisierung zugute, doch wer offen war für das Fremde, schnitt besser ab als derjenige, der alles Neue ablehnte. Das galt im Jahr 1000 und gilt auch heute noch."
Antonia Riepp:
Belmonte. Eine deutsch-italienische Familiensaga
München 2020
Eine italienisch-deutsche Familiengeschichte, deren interkulturelle Begegnungen durch Gewalt und leidenschaftliche Liebesbeziehungen geprägt sind. Die Hauptschauplätze sind Belmonte (in Wirklichkeit Castiglioni di Arcevia in der Provinz Ancona) und Kempten im Allgäu. Die aktuellen Probleme im Stadtpark werden thematisiert, das Modehaus Wagner spielt in der Handlung eine wichtige Rolle. Ein guter Unterhaltungsroman, mit einem etwas zu schnulzig geratenen Ende.
Die Autorin hat sich in der Allgäuer Zeitung geoutet, sie ist die in Kempten geborene Susanne Mischke.
Nino Haratischwili:
Das achte Leben (für Brilka)
Frankfurt am Main 2014
Eine Familiengeschichte, die die Lebensgeschichte der Familie Jaschi in Georgien über sechs Generationen schildert. Sie fängt in einer Schokoladenfabrik in Tiflis an und endet im wiedervereinigten Berlin. Die Leser*innen erleben hautnah die Geschichte Georgiens innerhalb der Sowjetunion im blutigen roten 20. Jahrhundert.
Ein sehr guter Roman, dieses Niveau hat Haratischwilli in ihren anderen Werken nie wieder erreicht.
Julie Otsuka:
Wovon wir träumten
Hamburg 2012
Der Roman schildert auf poetische und herzzerreißende Weise die Geschichte junger Japanerinnen, die Anfang des 20. Jahrhunderts mithilfe von Heiratsvermittlern nach Kalifornien auswandern. Die unterschiedlichen Schicksale der Frauen werden detailliert geschildert: ihre Enttäuschungen, ihre harte Arbeit, ihre Schwierigkeiten beim Erlernen der neuen Sprache und Kultur und ihre Außenseiterrolle nach Pearl Harbor.
Julie Otsukas Buch basiert auf gründlichen Recherchen und sorgt dafür, dass die Lebenserfahrung und das Schicksal dieser japanischen Frauen nicht vergessen wird.
Michael Jeismann:
Die Freiheit der Liebe. Paare zwischen zwei Kulturen. Eine Weltgeschichte bis heute
München 2019
"Gemischte Paare" hatten es in der ganzen Menschheitsgeschichte nicht leicht. Michael Jeismann hat die erste umfassende Kulturgeschichte der Paare geschrieben, die sich über die Grenzen hinweg gefunden haben. In der Bundesrepublik leben heute mehr als 1,5 Millionen von ihnen.
Der Berliner Historiker schildert die Schicksale interkultureller Paare zwischen Verbot und Toleranz in Geschichte, Mythologie, Literatur und in der Gegenwart.
Iris Wolff:
Die Unschärfe der Welt
Stuttgart 2020
Eine sprachlich virtuos geschriebene Familiengeschichte im Banat, wo interkulturelle Begegnungen zwischen Rumänen, Schwaben, Slowaken, Ungarn, Tschechen, Juden und Serben zum Alltag gehören. Zwei Besucher und die Flucht aus Ceausescus Rumänien schaffen Verbindungen nach Deutschland. Wir erleben hautnah, welche Einwirkungen Politik auf das Alltagsleben der Menschen in einer kommunistischen Diktatur hatte.
Iris Wolffs Buch wurde 2020 völlig verdient für den Bayerischen Literaturpreis nominiert.
Daniel Speck:
Piccola Sicilia
Frankfurt am Main 2018
Nach "Bella Germania" hat Daniel Speck einen zweiten Bestseller vorgelegt. Piccola Sicilia ist das italienische Viertel in Tunis, wo 1942 Christen, Juden und Muslime aufeinander treffen und in unmenschlichen Zeiten Menschlichkeit zeigen. Im Mittelpunkt steht natürlich wieder eine geheimnisvolle Liebesgeschichte, die die Enkelin des deutschen Wehrmachtssoldaten Moritz aufdecken muss.
Über das Verhältnis von Arabern und Juden liest man auf Seite 94: "Wir sind Cousins! Wir schreiben beide von rechts nach links, wir essen beide kein Schweinefleisch, wir haben beide einen Gott, der in der Wüste erscheint. Und wir feiern beide extrem laute Hochzeiten."
Mark Terkessidis:
Wessen Erinnerung zählt? Koloniale Vergangenheit und Rassismus heute
Hamburg 2019
"Wir sind hier, weil ihr bei uns wart", zitiert der Autor einen Geflüchteten. Er analysiert Deutschlands koloniale Vergangenheit und deren Auswirkungen auf die aktuellen Debatten über eine zeitgemäße Erinnerungskultur.
Ein ausgezeichnetes wissenschaftliches Werk von höchster Aktualität.
Arta Ramadani:
Die Reise zum ersten Kuss. Eine Kosovarin in Kreuzberg. Jugend zwischen zwei Welten
Klagenfurt 2018
Die preisgekrönte ZDF-Redakteurin hat ein wunderbares Jugendbuch geschrieben, das viele jugendliche und erwachsene Leser*innen verdient! In den für ihre persönliche Entwicklung wichtigsten Teenager-Jahren muss Era 1996 mit ihren Eltern zusammen aus dem Kosovo flüchten und in einem Flüchtlingsheim in Berlin-Kreuzberg ein neues Leben anfangen.
Aus der Sicht einer Jugendlichen, die Madonna vergöttert, kann Arta Ramadani die Lebensweise und Traditionen der Albanern und die Konflikte mit der Lebensweise der Deutschen sehr authentisch und kritisch schildern. Die Leser*innen erleben hautnah, was der Neuanfang für eine aufgeweckte junge Frau bedeutet. Es kann auch niemanden kalt lassen, als sie die brutal-zerstörerischen Auswirkungen von (drohenden) Abschiebungen beschreibt.