Fluchtgeschichten #2

"Als ich mich auf Wohnungssuche machte..." 
Eine sehr deprimierende Erfahrung, glücklicherweise mit gutem Ausgang

Gelesen von Marcus König, Schauspieler und Trainer bei improexport (Improvisations- und Unternehmenstheater)
Interview und Textgestaltung: Gaby Heilinger

Ich war seit ca. 15 Monaten in Deutschland, als ich mich auf Wohnungssuche machte. Mein Deutsch war inzwischen sehr gut, da ich im Ausland bereits Deutsch studiert hatte. Ich war sehr stolz auf meine neue Arbeitsstelle in Kempten und wollte nun auch um jeden Preis eine eigene Wohnung haben.
Voller Optimismus begann ich meine Suche. Ich antwortete auf Anzeigen, suchte entsprechende Angebote im Internet, gab selber Anzeigen auf usw. und nach jeder Anfrage wartete ich voller Hoffnung auf eine Zusage oder zumindest auf eine Einladung zu einem Besichtigungstermin. Schnell machte ich die bittere Erfahrung, dass telefonische Anfragen überhaupt keinen Sinn machten, da die Vermieter sofort an meinem Akzent erkannten, dass ich kein Deutscher bin. Die Wohnung war dann entweder schon vergeben, obwohl sie in der nächsten Woche wieder als verfügbar in der Zeitung stand, oder sie wurde angeblich nur an eine Dame vergeben. 

Bei Bewerbungen um eine Wohnung per E-Mail schloss der Vermieter sofort aus dem Namen auf ausländische Wurzeln und lehnte umgehend mit der Begründung ab, dass Ausländer nicht erwünscht wären. Man kann sich nicht vorstellen, wie außerordentlich deprimierend diese Abfuhren waren. 

Bei einem für mich besonders gravierendem Fall von Diskriminierung war es so, dass der Makler, den ich auch beauftragt hatte, mir die entsprechende Wohnung schon bestätigt hatte.
Meine Freude war riesengroß, und ich schaute mich schon sehr euphorisch nach Möbeln um. Ich stellte mir vor, wie schön es sein würde, abends nach der Arbeit heimzukommen, mir etwas aus der Heimat zu kochen und meine Füße auf oder unter meinen eigenen Tisch zu legen oder zu stellen. Einladungen werde ich aussprechen, Besucher werde ich empfangen, ich werde feiern und fröhlich sein. Juchhu, ich habe eine eigene Wohnung! So dachte ich mir das. Am nächsten Tag holte mich der Vermieter „meiner“ Wohnung wieder auf den Boden der Tatsachen herunter, indem er mir mitteilte, dass diese Wohnung nur an eine deutsche Frau vergeben würde. Aus, der Traum! Alles war wie immer! 

Die Suche ging weiter. Selbst die Unterstützung und die Fürsprache einer im Integrationsbereich sehr bekannten Persönlichkeit hatte keinen Erfolg. Es war einfach so: Bei der Mitbewerbung von Einheimischen hatten die Migranten das Nachsehen.  

Ich war verzweifelt. Mir fiel das Verslein ein: (das gibt es auch in meiner Sprache) „Immer, wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“ Und ich konnte es gar nicht glauben, dieses Lichtlein kam. Und zwar in Form einer liebenswerten älteren Dame. Diese Dame hatte einen Mieter für ihre kleine Wohnung in Kempten gesucht. Inzwischen schon automatisch, ohne irgendwelche großen Hoffnungen, bewarb ich mich auch hier sehr höflich und freundlich. Und es geschah ein Wunder: Die Dame lud mich zur Wohnungsbesichtigung ein. Im Laufe des Gesprächs erfuhr ich, dass sie Mitarbeiterin der evangelischen Kirche war und den Migranten sehr aufgeschlossen und unterstützend entgegenkam. Mein Herz schlug aufgeregt und doppelt so schnell, und als sie erfuhr, dass ich in dem Haus arbeite, das ihr seit vielen Jahren am Herzen liegt und das sie zusammen mit ihrer leider schon verstorbenen lieben Freundin gegründet hat, stand es fest: Bei all den vielen, vielen Bewerbern war ich dieses Mal der Gewinner. Ich bekam die Wohnung. Meine Freude war unbeschreiblich, ich konnte es nicht fassen. Alle Erniedrigungen, Demütigungen, rassistischen Bemerkungen, alles war vergessen. 

Ich lebe heute noch in dieser Wohnung und bin sehr glücklich dort.

Aufgezeichnet von Gabriele Heilinger am 27.11.2018

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