Eritrea

Flucht aus Eritrea

 aufgezeichnet von Gaby Heilinger

Ich komme aus Eritrea, und ich bin von dort geflüchtet, weil es in diesem Land keine Freiheit gibt. Der Regierungschef verursacht viele Probleme. Er lässt die Menschen grundlos verhaften und veranlasst Dinge, die man nicht nachvollziehen kann. Es gab für mich viel Stress: Schläge, Raub, Entführungen, Vergewaltigung usw.

Meine Familie war der Meinung, dass es besser für mich wäre, nach Deutschland zu gehen. Wir mussten viel Geld bezahlen, um mit einem Schlepper von Eritrea über Äthiopien, den Sudan, durch die Sahara nach Libyen zu gelangen. Manchmal sind wir mit dem Auto gefahren, aber viele lange Strecken mussten wir zu Fuß gehen. Teilweise mussten 25 Menschen in ein Auto klettern, um nicht zurückzubleiben. 

Die Sahara stellte sich als große Herausforderung dar. Es war brennend heiß und wir litten unter großem Durst. Viele Menschen sind schon hier auf halber Strecke gestorben. Man ließ sie einfach in der sengenden Sonne liegen und setzte den Weg fort. Viele von uns, auch ich, gehören der orthodoxen Kirche an, wir beteten viel, und unser Grundsatz war: „Wenn Gott meint, du sollst leben, dann lebst du, auch, wenn du Hunger und Durst hast.“ 

Als wir in Libyen ankamen, wurden wir in eine Art Camp gesteckt. Wir waren ca. 400 Menschen und mussten uns dort, je nachdem, zwischen vier Wochen und einem Jahr aufhalten. Eine Krankheit, die Krätze, war weit verbreitet. Die Aufseher waren sehr streng. Lautes Sprechen war verboten. Sprachen wir laut, wurden wir geschlagen. Es gab sehr, sehr viele Probleme, auch mit religiösem Hintergrund, da sehr viele verschiedene Religionen vertreten waren und viel gestritten und geschlägert wurde. Die hygienischen Verhältnisse waren verheerend. Die Menschen mussten alle nackt im Freien duschen, dazu kalt. Die Toiletten waren äußerst schmutzig und ekelhaft. Wir hatten kaum etwas zu essen. Es gab, wenn überhaupt, nur Nudeln mit einer ekligen, schimmeligen Soße. Auch hier verhungerten und verdursteten die Menschen. 

Sexuelle Übergriffe waren an der Tagesordnung, ich selbst wurde entführt, in einen Keller gesperrt, geschlagen und vergewaltigt. In Libyen gibt es keine Gesetze, nur Chaos.

Durch die Hilfe einer alten Frau, deren Mann und Sohn angeblich von der Regierung getötet wurden, gelang mir die Flucht aus meinem Gefängnis. Sie schossen noch hinter mir her, bevor ich in mein Fluchtauto klettern konnte. 

Vier lange Monate verbrachte ich in Libyen, bevor ich das Glück hatte, mit einem Schiff nach Italien fahren zu können. Die Überfahrt war schrecklich. Mit 300 Personen an Bord war das Schiff viel zu voll. Wir hatten schreckliche Angst, und es spielten sich schlimme Szenen ab. Beispielsweise verlor ein alter Mann wohl seinen Verstand, er zog sich nackt aus und warf alles, was er hatte, über Bord.
Ich habe immer wieder zu den Menschen gesagt: „Wenn man an Gott glaubt, hat man keine Angst, aber nur, wenn man richtig glaubt.“ 

In Italien bin ich dann zwei Monate lang in einem Lager gewesen. Den Namen des Ortes weiß ich nicht mehr. Nach diesen zwei Monaten brachte man mich zunächst nach Frankfurt und später nach Kempten in eine wunderbare Unterkunft. Hier hielten sich viele junge Mädchen in meinem Alter auf, und ich schloss schnell zahlreiche neue Freundschaften.

Ich wohne immer noch in dieser Einrichtung, werde bestens versorgt, darf in die Schule gehen und viel lernen. Mein Deutsch ist schon sehr gut geworden, und ich freue mich immer wieder darüber, wie offen und nett die Menschen hier zu mir sind. Heimweh habe ich überhaupt nicht. Zu meinen Eltern habe ich nur gelegentlich Kontakt, da es in Eritrea nicht überall Netz zum Telefonieren gibt. 

Ich bin erst 18 Jahre alt, und vielleicht gibt es in der Zukunft einmal die Möglichkeit, dass ich meine Eltern besuchen kann. Mein größter Wunsch wäre es, sie hier bei mir in Deutschland zu haben und ihnen alles zu zeigen, was ich bisher gelernt habe. Ich würde sie so gern an meinem neuen wunderbaren Leben teilhaben lassen.

Gott ist meine große Hilfe, und ich weiß, dass er mir eines Tages meinen Wunsch erfüllt.

25.11.2018/Gabriele Heilinger
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